Erfahrungen, Erlebnisse und Meinungen eines Naturfotografen



Juli 2010

Ethik in der Naturfotografie

 

Die Ethik ist für mich eines der wichtigsten Themen in der Naturfotografie.


Immer wieder höre ich, selbst auf Vorträgen von semiprofessionellen Naturfotografen, wie überrascht diese sind, wenn sie nach einem Tag der Nestfotografie am folgenden Tag das gestern noch intakte Nest geplündert vorfinden. Dabei ist die Erklärung des Nestraubes ganz einfach: Wir Menschen sind für wild lebende Raubtiere und Vögel (wie Fuchs, Wolf oder Krähen) schon seit Jahrhunderten eine relativ sichere Quelle, wenn es um das Thema Nahrung geht. Und damit meine ich nicht den Menschen als Nahrungsquelle, sondern das, was der Mensch an den Orten hinterlässt, an denen er sich aufhält. Früher waren es vor allem die Waldarbeiter, die mal einen Krumen Brot, mal eine Wurstpelle, mal einen Knochen im Wald liegen ließen. Nun haben die Raubtiere, allen voran der Fuchs, im Laufe der Jahre gelernt, wenn sie der Spur eines Menschen folgen, dass dann die Möglichkeit besteht etwas Essbares zu finden. Ein Fuchs geht wochenlang immer wieder den gleichen Weg, wenn er dort einmal etwas zu fressen gefunden hat. Heute sind aus den Waldarbeitern Naturfotografen geworden. Stundenlang halten wir uns vor einem Nest auf und lassen dort viele gut duftende Spuren zurück und präsentieren damit dem Nesträuber ein lohnendes Nachtmahl auf dem Silbertablett.

 

Naturfotografen müssen endlich wieder damit anfangen mehr über das Leben, Wachsen und auch das Sterben ihrer Motive zu lernen, als immer nur über Histogramme, Kameramarken und ASA-Zahlen nachzudenken.


Die Nestfotografie ist und bleibt ein kritisches Thema. Für einen wirklich erfahrenen und biologisch ausgebildeten Fotografen besteht aber überhaupt kein Grund sich nicht auch an dieses Thema zu wagen. Mit dem nötigen Wissen und dem Respekt vor dem Leben gelingen so immer noch Aufnahmen, die eine wichtige Aussagekraft über das Verhalten eines Vogels aufzeigen.


Aber es gibt ja noch ganz andere Dinge die einem Naturfotografen sehr schaden können. Dies ist vor allem die unwissentlich oder wissentlich falsche Deklarierung von Naturbildern. Dies gilt sowohl bei bearbeiteten Bildern, als auch bei der Nichtangabe von in Gehegen gemachten Aufnahmen.



Gerade aktuell ist bei einem großen internationalem Naturfotografenwettbewerb durch die falsche Angabe der Aufnahmesituation  ein großer Wirbel entstanden.


Aber auch bei anderen Wettbewerben sind einige Bilder, die schon platziert waren, aus dem Wettbewerb ausgeschlossen worden. Dabei stört mich persönlich gar nicht so sehr, dass die Jury dies nicht früher bemerkt hat. Ich finde es einfach nur unerträglich, dass diese Fotografen es offensichtlich nicht schaffen außergewöhnlich gute und interessante Bilder OHNE Manipulation zu fotografieren. Dabei ist gegen bearbeitete Bilder oder sehr gut gemachte Gehegebilder ja grundsätzlich gar nichts einzuwenden. Dann muss aber bitte unter dem Bild deutlich der Hinweis auf eine Manipulation erscheinen. Dies ist für mich Ethik und in der Naturfotografie unabdingbar. Denn ein Naturfotograf muss versuchen, das natürliche Verhalten eines Tieres zu dokumentieren und dies in seiner natürlichen Umgebung. Ohne jede Beschönigung. Mir persönlich ist ein Bild viel lieber, wenn das Bild kleine „Unreinheiten“ hat. Wie z. B., wenn ein Ast etwas ungünstig hängt oder ein Grashalm zu hell leuchtet. Und was gar nicht geht, ist, eine Pflanze herauszurupfen, um diese an einen Ort hinzustellen, damit der Hintergrund schön ruhig und einfarbig ist. Diese unerhörte Art der Naturfotografie ist mit unserem heutigen Naturverständnis mit nichts zu entschuldigen.


Bei einem Treffen von professionellen Fotografen mit dem Chefredakteur und einem Bildredakteur vom Stern wurde dieses Problem schon 2006 ausführlich besprochen. Werden dem Stern manipulierte Bilder vorgelegt, egal wie viel manipuliert wurde, bekommt der Fotograf ein lebenslanges Arbeitsverbot beim Stern. Dort ist man der Meinung, dass nur so die seriöse Berichterstattung weiterhin eine Chance hat. Denn mit manipulierten Bildern schadet der Fotograf ja nicht nur sich selber, sondern gefährdet den Verkauf einer Auflage der Zeitschrift und damit vielleicht sogar Arbeitsplätze. Kurzfristiges Profitdenken hat in der Fotografie zum Glück ein paar Gegner.



Es gäbe noch einiges zu diesem Thema zu schreiben. Aber ich denke, die Leser verstehen, worauf es mir ankommt. Daher erscheinen unter meinen Bildern folgende zusätzliche Buchstaben:



C für Bilder, die Tiere oder Pflanzen zeigen, die von Menschen zur Schau gestellt werden oder durch Zähmung an den Menschen gewöhnt wurden. Tiere, die sich aus freien Stücken in Zoos, Gehegen oder Botanischen Gärten Parks befinden, bekommen kein C zur Bildunterschrift. C steht für „captive“ = gefangen.



M für Bilder, denen ein Teil zugefügt oder weggenommen wurde, für Doppelbelichtungen und Sandwichs und für Ausschnitte, die mehr als je 10 % der Breite und Höhe des Originalbildes beschneiden (dies entspricht ca. dem Ausschnitt, der von einem Dia mit Diarahmen entsteht). M steht für „manipuliert“.



Zulässig sind für mich folgende Bearbeitungsschritte: im RAW-Format der Weißabgleich, Farbmoiré-Reduzierung, Staubentfernung und die Korrektur der chromatischen Aberration und zur Bildoptimierung (dies entspricht beim analogen Fotografieren der Filmauswahl) Scharfzeichnung, Kontrast, Farbsättigung. Dies bedeutet nicht, dass bei mir alle Bilder so behandelt werden. Mindestens 80 % der Bilder bearbeite ich nur mittels Weißabgleich und Scharfzeichnung.

 

 


Oktober 2008


Stative und Stativköpfe


Ich hatte schon eine Menge verschiedener Stative und habe auch immer noch eine Menge verschiedener Stative. Wobei von mir im Prinzip nur 2 Stativ-Varianten wirklich regelmässig eingesetzt werden. Ich besitze zusätzlich noch ein Autoscheibenstativ, welches sich in der Praxis aber nie wirklich bewährt hat. Anstelle dessen versuche ich immer eines von den "normalen" Dreibein-Stativen einzusetzen.

Es gibt mittlerweile eine Menge Carbonstative, die leichter als die klassischen Aluminiumstative sind. Entscheidungskriterium ist hier ganz klar das Geld. Carbonstative sind deutlich teurer.

- Links mein grosses Stativ für die langen Brennweiten ab 500 mm und dem Burzynski Kugelkopf
- in der Mitte mein Manfrottostativ mit einem speziellen Kugelkopf, dieses Stativ brauche ich ca. in 60 % aller Aufnahmesituationen
- rechts das gleiche Manfrottostativ wie in der Mitte, aber mit dem serienmässigen Manfrotto 3-Wege-Neiger

Mein aktueller Kugelkopf, ein BH-55 PF von der Fa. Really Right Stuff in den USA. Ein fantastisches Produkt und bislang mit Abstand der beste Kopf den ich je eingesetzt habe. Die silbernen Drehknöpfe sind griffig und absolut sicher zu schliessen. Der dicke Knopf links ist zum Lösen der Kugel, der kleine Knopf rechts oben dient der Friktion (also wie stark die Kugel sich nach dem Lösen bewegt) und der kleine Knopf rechts unten dient der horizontalen Bewegung des Kopfes. Auf dem Kopf befindet sich das Graf Wechselbasis-Schnellverschlusssystem (nach Burzynski) mit Durchschiebestopper (der verhindert das Herabfallen der Kamera, falls der Fotograf vergisst, die Verschlussplatte - montiert an Kamera oder Objektiv - fest anzuziehen). Mehr Infos zu den Wechselplatten finden sich unter www.isarfoto.de oder Burzynski Spezial-Zubehör in 16792 Zehdenick.


Hier das Manfrotto Schnellverschlusssystem in der 3-Wege-Neiger Version. Für den Einsteiger ist dieser Kopf einem Kugelkopf vorzuziehen, da er nicht so leicht wegkippt wenn einer der Verschlüsse geöffnet wird. Beim Kugelkopf kippt sofort das ganze aufgesetzte System weg, sobald der Knopf geöffnet wird. Nachteil: die Schnellverschlussplatte, oben rechts abgebildet. Durch den Korkbelag (der Kleber zwischen Kork und Metall löst sich mit der Zeit auf) verdreht sich die Platte an der Kamera bzw. am Objektiv mit der Zeit. Dies führt zur Instabilität und zu verwackelten Aufnahmen. Besser ist es, wenn Metall auf Metall oder Metall auf Gummi zu liegen kommt.

Hier noch ein älteres Stativ von mir. Bei diesem ist der Nachteil eindeutig das Verschlusssystem an den Beinen. Man muss durch drehen die Arretierung lösen, um die Beine auszufahren. Bei Kälte oder bei Dauernutzung lassen sich diese Arretierungen manchmal nicht lösen. Da ist das Manfrottosystem mit den Klappverschlüssen deutlich überlegen.

Ein Arca-Swiss monoball, eigentlich einer der meistbenutzten Kugelköpfe bei Naturfotografen. Mir ist aber der kleine Friktions-Knopf abgebrochen (die helle Stelle rechts vor dem grossen Knopf). Eine nicht reparable Angelegenheit. Damit waren 300 Euro verloren. Auch sonst war ich nie ganz froh mit diesem Kopf, da er immer wieder zum "hackeln" neigte, d. h., dass sich die Kugel nur ruckweise bewegen liess.

Ein Kugelkopf Marke FLM, auch dieser Kopf war nach kurzer Zeit defekt. Rechts im Bild sieht man den gebrochen Plastikknopf, der für die Friktion nötig war. Nach diesem Defekt liess sich der Kugelkopf gar nicht mehr bewegen.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


AUGUST 2008


Ich hoffe, dass nicht nur Naturfotografen, sondern auch Mitarbeiter der Kameraindustrie hier hineinschauen. Denn eröffnen werde ich hier mit einem Objektiv, welches vom Hersteller mit folgender Einführung angepriesen wird: "Tier- und Sportfotografen werden sowohl die Lichtstärke als auch den Brennweitenbereich zu schätzen wissen."


Sicher erinnern sich viele der Leser an den Wunsch des unvergessenen Fritz Pölking nach einem Telezoom 4,5 200-600 mm mit einem Gewicht von 3 kg. Zitat (schon um 2000 herum von Pölking geschrieben!): "Das 4,5/200-600mm würde also nicht mehr wiegen als heute ein 2,8/300mm!!! und mit Konverter 1,4 x sogar bis 840mm im AF-Modus reichen. Ein Traumobjektiv...!!! Dem ersten Markenhersteller, der so ein Objektiv anbietet, ganz egal ob der Canon, Nikon oder Minolta heißt, dem würden alle Naturfotografen der Welt zuströmen. Er würde in Europa und Nordamerika unglaubliche Stückzahlen davon verkaufen. Alleine die NANPA- und GDT-Mitglieder würden über 2000 Exemplare abnehmen. Aber anscheinend interessiert das niemand in den Chefetagen, wo Entscheidungen getroffen werden..."

Und was macht die Kameraindustrie? Sie bringt es fertig ein überirdisches 200-500mm/2,8 auf den Markt zu bringen, welches den astronomischen Preis von 25.000 Euro kostet und das unvorstellbare Gewicht von 15,7 kg auf die Waage bringt! Kaum glaublich, sind die Verantwortlichen auch noch der Meinung, dass jetzt alle Naturfotografen nur noch ein Ziel haben werden: dieses Objektiv. Sind die Manager bei SIGMA ernsthaft der Meinung, dass sie mit diesem Objektiv (welches so viel kostet wie durchschnittlich ein Deutscher brutto pro Jahr verdient-Quelle: manager-magazin.de), bei auch nur einem einzigen Naturfotografen einen Kaufrausch auslöst?

Und angenommen, es findet sich ein Naturfotograf, der ohne mit der Wimper zu zucken sich dieses "Traumobjektiv" zulegt; wie um alles in der Welt soll er denn das Objektiv von der Stelle bewegen? Es ist genauso, als ob der Fotograf seinen sechsjährigen Sohn auf den Schultern trägt - ZUSÄTZLICH zu seiner normalen Fotoausrüstung. Ich habe spasseshalber einmal meine komplette Fotoausrüstung inkl. des grossen Stativs gewogen. Das Ergebnis: 23,5 kg. Macht inkl. Sigmas 200-500mm Objektiv über 39 kg Equipment. Mir fehlen die Worte...

Ja, gibt es denn nichts Positives? Doch, ich bin der Meinung, dass es etwas Positives zu diesem Thema gibt. Ich bin mir sicher, dass alle Canon- und Nikon-Fotografen aufatmen dürfen. Denn das einer von den beiden Herstellern ein ähnliches, zukunftweisendes Objektiv auf den Markt bringen werden ist gleich Null. Denn toppen können sie dies Wunderwerk der Technik in den nächsten 20 Jahren wohl kaum. Da aber ja Canon und Nikon nun wissen "nichts ist unmöglich", steigt die Wahrscheinlichkeit, dass nun bald ein 200-500mm/4,5 für unter 7000 Euro, mit einem Gewicht von vielleicht 5 kg auf den Markt kommt. Denn nur so können sie Sigmas Vorstoss in die unendlichen Weiten des Weltalls kontern und damit auf dem Boden der Tatsachen ( = verkaufbaren Objektiven) bleiben.

Das Lustigste aber zum Schluss. Nach Aufzählung des mitgelieferten Zubehörs, findet es Sigmas Marketingabteilung nötig den Fotografen noch schnell einen gutgemeinten Rat mit auf den Weg zu geben: "Bei so viel Lieferumfang kann man dann optional in ein geeignetes Stativ investieren."

Ingo Seehafer/August 2008